7 Gründe für das NEIN
Heute in einer Woche ist es soweit: Am 7. März stimmt Bern über den 112-Millionenkredit für Verkehrs- und Baumassnahmen rund um den Bahnhof Bern ab.
Zwar sind viele des im Kredits enthaltenen Massnahmen wichtig und sinnvoll sind, trotzdem empfehlen wir hier noch einmal dringend, ein NEIN in die Urne zu legen. Weil der aus der Zeit gefallenen Betontunnel für FussgängerInnen sowie die Zerstörung der Hirschengraben-Parkanlage verhindert werden müssen.
Damit wird nicht nur ein verkehrstechnischer Murks, sondern auch ein städtebauliches Desaster verhindert. Die 36 Millionen Franken, die für den Betontunnel und die «Umbestaltung des Hirschengrabens» budgetiert sind, können und müssen sinnvoller eingesetzt werden!
Bei einem NEIN wird die Stadt bald einen neuen Vorschlag ausarbeiten, der – so ist zu hoffen – die in den letzten Wochen aufgezeigten Lösungsansätze und Alternativen berücksichtigt.
Die Chance besteht, dass damit nicht nur Geld gespart wird, sonder eine ganzheitlichere, nachhaltigere und städtebaulich würdigere Lösung gefunden wird.
Hier für alle Zögernden noch einmal als Zusammenfassung 7 wichtige Gründe, weshalb wir dringend ein NEIN empfehlen:
- Den 36 Millionen teuren Personentunnel in den Hirschengraben braucht es nicht – es gibt bessere und günstigere Lösungen.
- FussgängerInnen gehören ans Tageslicht.
- Ein 25 Meter breiter Zebrastreifen über den Bubenbergplatz, wo das Verkehrsvolumen um 60 Prozent reduziert wird, ist machbar, sinnvoller und günstiger. Diese Lösung wurde von den Behörden in ihrer Planung so nie geprüft.
- Der Hirschengraben wurde im 19. Jahrhundert gestaltet und ist die wichtigste Platzschöpfung der Stadt Bern aus dieser Zeit. Er ist Teil des UNESCO-Weltkulturerbes und geniesst einen besonderen Schutz. Das Abholzen der Bäume, die Versetzung des Denkmals und der Einbau einer Treppenanlage mit Lift zerstören die Parkanlage.
- Der Hirschengraben hat Potenzial zum grünen, urbanen Treffpunkt in Bahnhofsnähe. Daran mangelt es in Bern. Deshalb statt abholzen und zum ÖV-Perron degradieren: Aufräumen und vom gegenwärtigen Velo- und ÖV-Chaos entlasten.
- Der geplante FussgängerInnentunnel und die damit verbundene Zerstörung der historischen Parkanlage im Hirschengraben verhindern langfristig eine städtebaulich sinnvolle gute Entwicklung rund um den Bahnhof Bern.
- Das NEIN zum 112-Millionenkredit macht den Weg frei für die dringend notwendige Gesamtplanung des Berner Bahnhofsgebiet, wie sie unter anderen auch die Architekten- und Planerverbände gefordert haben.
WICHTIG ZU WISSEN:
- Die Abstimmung tangiert in keiner Art und Weise den Umbau des Bahnhofs von SBB und RBS: Deren Arbeiten und der neue Ausgang Bubenbergplatz werden wie geplant fertig gestellt – auch ohne Fussgängertunnel und Zerstörung des Hirschengrabens!
- Die Umsteigewege würden mit dem Fussgängertunnel und der Versetzung des Bubenbergdenkmals in die Mitte des Hirschengrabenparks nicht einfacher und sicherer – im Gegenteil.
- Bei einem NEIN zum 112-Millionenkredit drohen weder Verkehrszusammenbruch noch Chaos: Die Stadt müsste schlicht und einfach nachbessern und dem Volk eine neue, bessere Variante zur Abstimmung vorlegen. Das ist möglich – die Zeit reicht, Alternativen liegen vor – dies alles wurde in den letzten Wochen und Tagen plausibel aufgezeigt.
Weitere Informationen zu all diesen Punkten auf dieser Website und auf
Zuerst der Tunnel, dann die Velostation:
Ein klassischer Fall von Salamitaktik
Eigentlich kann man die unglückliche Entstehung des «Bausteins 2» – das 36 Millionen teure Projekt «Personenunterführung und Umnutzung Hirschengraben in ein Tramperron» – in zwei Sätzen erklären:
Der für «Baustein 2» geforderte Baukredit ist nichts anderes als die vorgezogene Finanzierung eines Teils der von der Stadt geplanten riesigen Velostation unter dem Hirschengraben, mit dem dafür notwendigen unterirdischen Direktzugang zum Bahnhof sowie den Baustellenanfangs- und ‑abschlussarbeiten, inklusive Rodung der Kastanienbäume und Demontage des Bubenberg-Denkmals (zu Beginn der Bauarbeiten), sowie der Wiederbepflanzung über dem Betondeckel (am Schluss).
Warum wurden diese Teile des Baukredits von dem eigentlichen Baukredit für die Velostation abgespalten, der voraussichtlich in zwei Jahren zur Abstimmung vorgelegt werden soll?
Die Antwort darauf ist simpel: Addiert man die Kosten (36 Millionen), über die wir am 7. März abstimmen, mit den direkten Erstellungskosten der Velostation (40 Millionen), wird sofort klar, wie unglaublich teuer das Ganze würde: Die Baukosten belaufen sich auf 76 Millionen Schweizer Franken – dies macht bei 3000 geplanten Veloparkplätzen PRO PLATZ sage und schreibe CHF 25’000!
Die Velostation ist aber nicht nur aus finanziellen Gründen ein Luftschloss-Projekt. Weil sie in einem hochgeschützten Stadtraum gebaut werden soll, der national unter ISOS-Schutz steht und Teil des UNESCO-Weltkulturerbes ist, lobbyiert der Gemeinderat gegenwärtig beim Bundesamt für Kultur für eine Sonderbewilligung und demontiert damit den Schutz seiner eigenen Stadt. Das von den Behörden erhoffte JA für die Finanzierung von Unterführung und Umgestaltung Hirschengrabenplatz, so das Kalkül der Stadt, würde ein Präjudiz schaffen, dem sich auch der Denkmalschutz nicht widersetzen könnte…
Velostation und Unterführung bedingen sich gegenseitig. Beides muss zwingend gleichzeitig gebaut werden. Deshalb macht es keinen Sinn und ist eine Zumutung für die Stimmbevölkerung, dass separat zuerst über die Unterführung und erst zu einem späteren Zeitpunkt über die Velostation am gleichen Ort abgestimmt werden soll. Das ganze Bauvorhaben gehört in eine einzige Vorlage!
Gleichzeitig wird klar: Die Stadt kann gar nicht auf das Angebot eines nahezu kostenlos zu verbreiternden Fussgängerstreifens eintreten, wie er von Architekten und Planern vorgeschlagen wird. Weil sie in ihrer eigenen bauernschlauen Taktik zur Finanzierung eines Luftschlosses (Mega-Velostation) verstrickt ist und glaubt, das Gesicht zu verlieren, wenn sie jetzt plötzlich zugeben würde, dass es die Unterführung verkehrstechnisch gar nicht braucht und sie nur aus taktischen Gründen ins aktuelle Verkehrsvorlagenpaket verpackt wurde… das – ohne die versteckte Veloagenda – für 76 Mio statt 112 Mio zu haben wäre….
Gemeinsame Empfehlung der Planungsverbände:
NEIN zum 112-Millionenkredit
Knapp zwei Wochen vor der Abstimmung votieren die Planungsverbände SIA, BSA, FSAI und SWB mit einer gemeinsamen Erklärung für ein NEIN am 7. März. ArchitektInnen, PlanerInnen und IngenieurInnen bekräftigen damit ihre Kritik an der städtischen Planung im Zusammenhang mit dem Ausbau des Bahnhofs Berns.
Kritik notabene, die nicht neu ist, wie die Verbände in ihrem Schreiben unterstreichen: Bereits in der Vergangenheit und auch im Rahmen der Mitwirkung hätten die Fachverbände immer wieder auf Probleme und die Notwendigkeit einer Gesamtsicht hingewiesen.
Konkret bemängeln sie, dass sich die aktuelle Vorlage weitgehend auf Verkehrsaspekte beschränke. Diese betreffen den gesamten öffentlichen Raum zwischen City West, Hirschengraben und Bubenbergplatz bis zum Bollwerk – einen Raum, «der von zentraler Bedeutung für die Menschen und Besucher der Stadt Bern ist. Hier gilt es, Gültiges zu schaffen, das weit über kurzfristige Interessen hinaus Bestand hat und als Tor zur Weltkulturerbe-Stadt Bern begeistern kann.»
In eine planerische Gesamtsicht müssten, nebst städtebaulichen und gestalterischen Anliegen, auch Fragen wie die Etablierung einer zweiten Tramachse, die Möglichkeiten eines vom privaten Verkehr befreiten Bubenbergplatzes oder die bessere räumliche Anbindung der Länggasse einfliessen.
Die aktuelle Vorlage klammert diese Aspekte aus. Damit laufe man Gefahr, so die Fachverbände, «dass heute getroffene Massnahmen obsolet werden oder zukünftige Chancen verhindern.»
Dies ist doppelt stossend, da die Stadt Bern ja bekanntlich für 2035 eine solche Gesamtsicht in Aussicht gestellt hat. Der Zwischenbericht zum aktuellen Stand dieser Planung wurde erst letzte Woche und auf Druck öffentlich gemacht. Dazu schreiben die Fachverbände: «Es ist für uns nicht nachvollziehbar, weshalb dieser Bericht erst im laufenden Abstimmungsverfahren kommuniziert worden ist und weshalb diese Planung nicht dringlich zumindest soweit vorangetrieben wird, dass Investitionen in den Ausbau des Bahnhofs koordiniert erfolgen können und überprüfbar sind.»
Zusammenfassend bezeichnen die Fachverbände die Vorlage als unausgereift und empfehlen sie deshalb zur Ablehnung. Gleichzeitig bieten sie Hand zur «konstruktiven Mitarbeit» auf der Suche nach rasch umsetzbaren Lösungen nach dem 7. März – verbunden mit einer klaren Message an die Stadt: «Der heute unbefriedigende Zustand des Bahnhofs zeigt aber leider zu gut, dass Bau- und Verkehrsmassnahmen nur unter ganzheitlicher Berücksichtigung städtebaulicher, denkmalpflegerischer und verkehrstechnischer Aspekte zukunftsfähig sind. Dazu braucht es ein gestalterisches Leitbild für die Entwicklung des gesamten Stadtraums.»
Mit dem ÖV ins Abseits
Autobahnen sind schlecht, ÖV und Velo sind gut. Deshalb muss man erstere bekämpfen, während der öffentliche Verkehr und die Angebote für Velofahrende zu fördern sind – koste es, was es wolle. Mitunter sogar das Umsägen von 25 Bäumen im Weltkulturerbe-Sektor der Stadt Bern.… Dieses allzu einfache Weltbild prägt aktuell die RGM-Verkehrspolitik in Bern.
Erschreckend, mit welcher Sturheit viele Grüne gegenwärtig ein unnötiges und zerstörerisches Betonprojekt verteidigen, dem eine ganze Allee stattlicher Kastanienbäume geopfert werden soll. Mangels stichhaltiger Argumente predigen sie dabei mantrahaft den weiteren Ausbau des öffentlichen Verkehrs und prophezeien ziemlich faktenfern einen Pendlertsunami, wenn dereinst SBB und RBS den Bahnhof ausgebaut haben werden. Als ob mit einem Betontunnel und der Abholzung von Stadtbäumen die grosse Verkehrswende zu bewerkstelligen wäre…
Ausgerechnet die Grünen, die einst angetreten sind, für Umwelt, Natur und Nachhaltigkeit zu kämpfen, verteidigen diesen Unsinn. Vergessen die Bedeutung von Biodiversität und Ökologie, auch in der eigenen Stadt. Vergessen der Ruf nach umweltverträglicher Entwicklung und Nachhaltigkeit.
Weil es sich beim Ausbau des Berner Bahnhofs und dem in diesem Rahmen geplanten zusätzlichen FussgängerInnentunnel um ein ÖV-Projekt handelt, nickt Grün ab, winkt durch. Kritische Fragen und Einwände unerwünscht, für die verurteilten Bäume gibt’s höchstens ein paar Krokodilstränen. Mit dem ÖV ins Paradies – also Augen zu und durch.
Enttäuschend, wie sich Politikerinnen und Politiker, die Aufbruch, Engagement und Erneuerungen versprochen haben, hinter vorgeschobenen Sachzwängen verstecken und den Argumenten und Alternativvorschlägen ausgewiesener Fachleute ausweichen. Diskussion? Fehlalarm. Die unausgegorene Kredit-Vorlage wird bis zum Gehtnichtmehr schöngeredet. Wer immer noch Einwände hat, wird darauf hingewiesen, sich doch besser für die Verhinderung einer 6spurigen A1 oder ein Moratorium für Autobahnausbauten einzusetzen. Punktschluss.
So nicht, liebe Grüne. Zum Glück seid ihr nicht die einzige Partei in der Stadt, die Grün in ihrem Namen trägt. Die kleine Grün alternative Partei hat in Sachen Hirschengraben von Anfang an Farbe bekannt und sich für den Schutz der Bäume engagiert und im Komitee «Rettet den Hirschengraben» an der Erarbeitung von Alternativen mitgewirkt.
Die andere Schwesterpartei, die Grüne Freie Liste wiederum, hat ebenfalls Stärke gezeigt: Mit einem klaren Aufruf zum «konstruktiven Nein» setzt sich eine Mehrheit der Mitglieder dafür ein, dass der Fussgängertunnel und die Baumfällaktion am Hirschengraben mit einem NEIN am 7. März verhindert werden.
Nur bei den «grossen» Grünen blättert langsam die Farbe ab. Schade.
Kein Durchkommen am Hirschengraben
Von Seiten der Fussgängertunnel-PromotorInnen wird immer wieder behauptet, die Verbindungen zum ÖV-Netz im Hirschengraben würden einfacher und bequemer mit dem städtischen ZBB-Anschlussprojekt, weil man künftig trockenen Fusses den Bubenbergplatz unterirdisch queren und so bis in den Hirschengrabenpark gelangen könne. Und umgekehrt könne, wer von Süden her komme bereits im Hirschengraben in den Bahnhof hinuntersteigen.
Wer die Örtlichkeiten und das ÖV-Angebot am Hirschengraben kennt, weiss jedoch: Einzig die Haltestation für die stadteinwärts fahrenden Trams wären vom Tunnelausgang her direkt zu erreichen.
Für alle anderen Verbindungen, das heisst, für sämtliche Tramkurse Richtung Süden und Westen, führt der Tunnel in eine Sackgasse. Um diese Haltestellen zu erreichen, müsste man die Fahrbahn queren, was im Osten für die stadteinwärts fahrenden Busse noch gerade machbar wäre. Unmöglich ist die Situation aber definitiv für alle stadtauswärts fahrenden Tramanschlüsse.
Wer im Hirschengraben aus dem Tunnel steigt (= die grosse Mehrheit der ankommenden PendlerInnen am Morgen), muss um ein Tram Richtung Weissenbühl, Wabern, Brünnen, Bümpliz oder Fischermätteli zu erreichen, die doppelten Tramgleise im Westen des Platzes queren. Das ist schon heute ein praktisch unmögliches Unterfangen: In beide Richtungen folgt hier nämlich Tram auf Tram, so dass für FussgängerInnen kaum ein Durchkommen ist.
Zusätzlich erschwerend kommt beim «umgestalteten Hirschengraben» hinzu, dass die Randsteinkanten an den Haltestellen neu 27cm hoch sein werden. Das ist zwar gut für den barrierefreien Einstieg ins Tram, erweist sich aber fürs Queren der Haltestellen als äusserst mühsam, für Kinderwagen und gehbehinderte Menschen gar als unmöglich.
Kurzum: Der Hirschengrabentunnel wäre, schon nur durch seine Streckenführung, eine Totgeburt. Es ist nicht nachvollziehbar, wie Planer auf die Idee gekommen sind, «40 Prozent der Fussgängerströme» am Bubenbergplatz ins Abseits zu lenken und zu glauben, dass die PendlerInnen das nicht in kürzester Zeit merken und die Unterführung daher meiden werden.
Wer den Bahnhof im Westen verlässt, sei es über die Welle oder den künftigen Ausgang Bubenbergplatz, quert den Platz über den Fussgängerstreifen. Da bewegt man sich nicht nur am Tageslicht, sondern hat auch die Übersicht und kann seine Schritte rechtzeitig in die gewollte Richtung lenken.
Wie in den letzten Tagen vom Verkehrsplaner Pierre Pestalozzi und weiteren Fachleuten nachgewiesen wurde, kann das behauptete Kapazitätsproblem mit der Reduktion des Privatverkehrs um mindestens 50 Prozent und der Verbreiterung des Fussgängerstreifens nachhaltig gelöst werden.
Die Unterführung in den Hirschengraben ist nicht nur unnötig, sondern führt die Fussgängerinnen und Fussgänger ins Niemandsland. Sie landen vom Bahnhof her auf einer Verkehrsplattform, von der sie von den im Minutentakt ein- und ausfahrenden Trams ausgebremst werden.… Das kann nicht sein.
Deshalb am 7. März: NEIN zum 112-Millionenkredit – Bern kanns besser!
Schräge Bauherren-Logik
Heute dominieren die Metall-Glasfassaden von zwei gesichtslosen Geschäftshäusern aus der Hochkonjunkturzeit den Bubenbergplatz. Dem Bau des Bubenbergzentrums wurde in den 1960er und 1970er Jahren eine ganze Häuserzeile «mit herrschaftlichen Wohnungen und Ladengeschäften im Parterre» geopfert, wie der damalige Bund-Wirtschaftsredaktor Hans Gerber 1994 in einer Bund-Spezialausgabe zum Bubenbergplatz schreibt.
Aus heutiger Sicht, so Gerber, «wären diese Jugendstilhäuser mit ihren Erkern und Balustraden, die fast so eindrucksvoll gewirkt haben mussten wie die stilvoll renovierten Häuser am Falkenplatz in der Vorderen Länggasse, nie abgebrochen worden um modernen Geschäftshäusern in eher konventionellem Stil, wie sie damals in allen Städten emporschossen, Platz zu machen.»
Solche Fehlentscheide, die über 60 Jahre zurückliegen sowie die daraus hervorgegangenen Bausünden, können nicht wiedergutgemacht werden. Angezeigt wäre hingegen, dass man aus Fehlern lernt – und ein nächstes Mal klüger handelt.
Leider ist das in der Stadt Bern, zumindest in Bezug auf das Bubenbergzentrum, nicht der Fall. Im Gegenteil: Mit dem geplanten Abriss und Wiederaufbau des jüngeren der beiden Geschäftshäuser, wiederholt man alte Fehler – und verpasst eine einmalige Chance, dem Bubenbergplatz auf lange Sicht seine ehemalige ikonische Ausstrahlung zurückzugeben. Zweimal denselben Fehler zu begehen ist unverzeihlich, oder – wie die Römer schon wussten – des Teufels.
Was künftig am neuen Hauptzugang zum zweitgrössten Bahnhof der Schweiz geplant ist, entspricht einer ziemlich schrägen Bauherren-Logik:
2016 kauften die SBB die westliche Hälfte des Bubenbergzentrums. Es handelt sich dabei um das jüngere der beiden Gebäude, welches 1975 von den Versicherungsgesellschaften La Suisse und der Basler gebaut wurde. Weil die SBB genau an dessen Stelle den neuen Bahnhof-Zugang planen, wollen sie nun das Gebäude abreissen und im gleichen Stil wieder hochziehen. Aus einem lapidaren Grund:
Die Kombination von künftigem SBB-Bahnhofausgang im Unter- und Erdgeschoss des Gebäudes und städtischem Fussgängertunnel als Verlängerung der unterirdischen Personenführung bis zum Hirschengraben, erfordert einen Neubau.
Die östliche, ältere Hälfte des Bubenbergzentrums (Baujahr 1962) hingegen bleibt vorläufig bestehen. Dem Vernehmen nach wollten deren Eigentümer nicht verkaufen. Damit steht man heute vor einer unglaublich absurden Situation: Eigentlich wäre eine Aufwertung dieser zentralen Adresse mit dem neuen Bahnhofzugang dringend notwendig – und im Bereich des Möglichen gewesen. Mit dem geplanten Neubau hingegen wird diese Chance verspielt und ein Zustand zementiert, der künftig wieder neue Sachzwänge schafft, statt Lösungen ermöglicht.
Den beiden unattraktiven Geschäftshäusern des heutigen Bubenbergzentrums wird eine Lebensdauer von rund 70 Jahren attestiert. Wenn nun das jüngere Gebäude bereits nach 45 Jahren abgerissen und städtebaulich der älteren Liegenschaft angepasst wird, was ist dann in 10 bis 20 Jahren zu erwarten, wenn die Lebenszeit des Bubenbergzentrums-Ost abläuft?
Nach Berner Logik wohl erneut ein Ersatzneubau, angepasst an das bestehende Nachbargebäude, usw. usf.
Auf den Punkt gebracht
Der Abstimmungsflyer fasst die wichtigsten Argumente für das NEIN zum 112-Millionenkredit für die Anpassungsmassnahmen an den neuen Bahnhof Bern kurz und bündig zusammen:
Auf bernkannsbesser.ch und in allen Berner Briefkästen…
Überholte Prognosen
«Modellrechnungen zufolge werden in der Abendspitze künftig über 16’000 Personen pro Stunde den Bubenbergplatz überqueren», heisst es in der Abstimmungsbotschaft zum 112-Millionenkredit, über den Bernerinnen und Berner am 7. März abstimmen werden. Deshalb brauche es zwingend eine unterirdische Erweiterung beim künftigen Bahnhofausgang Bubenbergplatz, sonst gebe es oberirdisch «kein Durchkommen mehr», tönt es von Seiten der BefürworterInnen dieser Vorlage. Oder in Worten des Stadtpräsidenten: «Ein Puff».
Diese Behauptung ist reine Panikmache:
Die genannten über 16’000 Personen pro Stunde würden – wenn überhaupt – nur während wenigen Minuten Stossverkehr pro Tag erreicht. Ansonsten war und ist es am Bubenbergplatz ruhig bis sehr ruhig – das wird sich auch in Zukunft nicht wesentlich ändern. Daher wäre der Bau des geplanten Personentunnels finanziell völlig unverhältnismässig und eine reine Geldverschwendung.
Die Annahmen, auf denen die Modelle basieren, sind ohnehin Makulatur geworden. Die seit März 2020 infolge des Lockdowns versiegten Pendlerströme erreichten seither nicht einmal ansatzweise frühere Werte. Die Statistik lässt Wachstumspropheten erbleichen. Die erhobenen Zahlen zum öffentlichen Verkehr könnten deutlicher nicht sein: Im vierten Quartal 2020 wurden in der Schweiz insgesamt 44 Prozent weniger Personenkilometer im ÖV zurückgelegt als im Jahr zuvor.
Besonders stark betroffen ist der Fernverkehr: Die SBB beklagten einen Rückgang von 50 Prozent, der Regionalverkehr schrumpfte um 40 Prozent.
Fest steht: Das ist kein momentaner Trend. Mit der zunehmenden Etablierung von Homeoffice und dem letzte Woche vom Bundesrat beschlossenen erneuten Anlauf zur Einführung von Mobility Pricing, sind die für den Bahnhof Bern in Vor-Corona-Zeiten berechneten Wachstumszahlen definitiv unbrauchbar geworden.
Dies bietet die Chance, den überflüssig gewordenen Fussgängertunnel zum Hirschengraben ersatzlos zu streichen. Weil es diesen als Notventil propagierten unterirdischen Überlaufkanal schlicht und einfach nicht braucht.
Schade, dass Politikerinnen und Politiker das nicht begreifen wollen. Stattdessen halten sie am Narrativ des unweigerlich drohenden Verkehrskollapses fest – und wollen den Tunnel inklusive Kahlschlag am Hirschengraben auf Teufel komm raus durchstieren.
Würden die Stadtoberen redlich kommunizieren, müssten sie ihre Verkehrsprognosen nach unten korrigieren. Nicht nur jene, welche die Bahnpassagiere betreffen. Dem Tunnelprojekt liegen auch enorme Wachstumsprognosen für den Auto‑, Velo- und öffentlichen Verkehr zugrunde, die für die Nach-Corona-Zeit ebenfalls angepasst werden müssten.
Immer grösser, immer teurer, immer mehr, haben ausgedient. Diese Erkenntnis ist die Voraussetzung für die von der rot-grünen Stadtregierung so oft gepriesene nachhaltige Entwicklung. Nur so kann die Stadt Bern ihre ehrgeizigen Klimaziele auch tatsächlich erreichen.
Keine Chance für eine Velostation am Hirschengraben
Die Eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege schreibt in ihrem Gutachten vom September 2018 Klartext:
«Die EKD empfiehlt,
● auf eine vollständige wie auch auf eine teilweise Unterbauung im Perimeter ‘Hirschengraben’ zu verzichten;
● die Bepflanzung ist zu erhalten.
● Baumpflegerisch notwendige Ersatzpflanzungen sind gemäss dem historischen Bestand vorzunehmen.»
Damit ist die von der Stadt geplante Mega-Velostation unter dem Hirschengraben-Platz vom Tisch. Würde man denken. Ebenso der Personentunnel, denn dieser würde mitten auf einer leergeräumten Verkehrsplattform enden. FussgängerInnen müssten zwingend – in welche Richtung auch immer – die stark frequentierten Tram- und Busfahrbahnen überqueren. Beim Umsteigen auf Bus oder Tram ebenso. Kurzum: Der Tunnel würde bei der Umsetzung der heutigen Planung in eine veritable Sackgasse führen. Kurze Wege sehen anders aus.
Sinn machen würde der Tunnel einzig und allein in Kombination mit der Velostation unter dem Hirschengrabenpark. Diese war denn auch Teil des Mitwirkungsverfahrens von 2019. Aus der aktuellen Kreditvorlage wurde sie nun ausgeklammert. Aus taktischen Gründen, darf vermutet werden: Noch steht nämlich das klare Verdikt der EKD dem Veloparking im Weg. Zudem hätten die Investitionskosten für eine zweigeschossige Velostation den aktuell beantragten Kredit um mindestens 50 Millionen auf über 160 Millionen CHF verteuert.
Würden die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger am 7. März jedoch den von der Stadt beantragten 112-Millionenkredit durchwinken, wären damit schon mal der Zugang zur Velostation (FussgängerInnentunnel) und ihr Deckel (Abräumen und Umgestaltung des gesamten Hirschengrabens) vorfinanziert. Und ein fait accompli geschaffen.
Mit diesem dreisten Vorgehen soll das Projekt schliesslich durchgesetzt werden, obschon es in krassem Widerspruch zu allen Empfehlungen der Denkmalpflege sowie zahlreicher Fachleute, die sich seit Jahren kritisch zu diesem Vorhaben äussern, steht. Der Gemeinderat scheint nicht nur die zerstörerische Unterführung, sondern auch das umstrittene Veloparking auf Teufel komm raus durchboxen zu wollen, wie etwa dem gemeinderätlichen Vortrag an den Stadtrat betreffend Ausführungskredit zu entnehmen ist:
«Die Option einer unterirdischen Velostation im Hirschengraben (Baustein 2+) wurde zwar durchaus kritisch betrachtet, aber unter der Bedingung, dass keine gleichwertige Alternative besteht, mehrheitlich akzeptiert. (…). Aus Sicht der federführenden Direktion für Tiefbau, Verkehr und Stadtgrün (TVS) sind Optimierungen möglich, welche den Vorbehalten der EKD Rechnung tragen sollten.»
Fakt ist: Bisher sind keine derartigen «Optimierungen» bekannt.
Nur ein Nein am 7. März kann diese Salamitaktik verhindern!
Spannende Lektüre:
Das umfassende Gutachten der EKD vom 27. September 2018 – lesenswert!
SBB müssen sparen – auch beim Bahnhof Bern
Als Folge der Corona-Krise sistieren die SBB eine Reihe grosser und wichtiger Immobilien-Projekte. Damit wollen sie ab sofort bis 2025 rund 700 Millionen Franken einsparen.
Auch der Milliarden-Umbau im Bahnhof Bern ist von den Massnahmen betroffen: Der geplante Neubau Bollwerk 2–8 wird auf Eis gelegt. Das Hochhaus aus den 1970er Jahren mit der Velostation im Erdgeschoss hätte im Rahmen der Bahnhofserneuerung einem Neubau weichen sollen. Dieses Vorhaben ist nun vorerst gestoppt.
Anders das Abbruch- und Neubauprojekt beim künftigen Westausgang des Bahnhofs: Laut Medienmitteilungen halten die SBB am geplanten Abbruch und Wiederaufbau des heutigen Bubenbergzentrums West fest. Zumindest vorläufig.
Dies, obschon es gerade an dieser Stelle grosses Sparpotenzial gäbe: Mit dem Verzicht auf das geplante neue Gebäude im alten Stil, den «unaufgeregten Bubenberg-Neubau», wie er von den SBB angepriesen wird, könnten Millionen eingespart werden.
Statt das erst 1977 erstellte bestehende Gebäude mit der roten Fassade abzureissen und wieder hochzuziehen, könnte man es gleich stehen lassen, sanft sanieren und den künftigen Bahnhofausgang Bubenbergplatz in dessen Unter- und Erdgeschoss integrieren. Oder noch besser: Diesen Ausgang nordwärts, hinter die Bogenschützenstrasse verlegen. Damit würde die Passage verkürzt, die PassagierInnen kämen noch schneller ans Tageslicht – zudem könnten damit weitere Millionen eingespart werden.
Der in Verbindung mit dem Hirschengraben-Tunnel geplante Neubau sei die einzige Variante, die infrage komme, verkünden die Stadtbehörden und ihre PR-Büros. Forsch behaupten sie, es gäbe keine Alternative.
Stimmt nicht. Es gibt – wie hier aufgezeigt – realistische und pragmatische Lösungen, die zudem den Vorteil haben, dass sie für eine längerfristige, städtebaulich attraktive Neuplanung des Bubenbergplatzes keine Präjudizien schaffen.