Knapp zwei Wochen vor der Abstimmung votierten die Planungsverbände SIA, BSA, FSAI und SWB mit einer gemeinsamen Erklärung für ein NEIN am 7. März. ArchitektInnen, PlanerInnen und IngenieurInnen bekräftigen damit ihre Kritik an der städtischen Planung im Zusammenhang mit dem Ausbau des Bahnhofs Berns.
Kritik notabene, die nicht neu ist, wie die Verbände in ihrem Schreiben unterstreichen: Bereits in der Vergangenheit und auch im Rahmen der Mitwirkung hätten die Fachverbände immer wieder auf Probleme und die Notwendigkeit einer Gesamtsicht hingewiesen.
Konkret bemängeln sie, dass sich die aktuelle Vorlage weitgehend auf Verkehrsaspekte beschränke. Diese betreffen den gesamten öffentlichen Raum zwischen City West, Hirschengraben und Bubenbergplatz bis zum Bollwerk – einen Raum, «der von zentraler Bedeutung für die Menschen und Besucher der Stadt Bern ist. Hier gilt es, Gültiges zu schaffen, das weit über kurzfristige Interessen hinaus Bestand hat und als Tor zur Weltkulturerbe-Stadt Bern begeistern kann.»
In eine planerische Gesamtsicht müssten, nebst städtebaulichen und gestalterischen Anliegen, auch Fragen wie die Etablierung einer zweiten Tramachse, die Möglichkeiten eines vom privaten Verkehr befreiten Bubenbergplatzes oder die bessere räumliche Anbindung der Länggasse einfliessen.
Die aktuelle Vorlage klammert diese Aspekte aus. Damit laufe man Gefahr, so die Fachverbände, «dass heute getroffene Massnahmen obsolet werden oder zukünftige Chancen verhindern.»
Dies ist doppelt stossend, da die Stadt Bern ja bekanntlich für 2035 eine solche Gesamtsicht in Aussicht gestellt hat. Der Zwischenbericht zum aktuellen Stand dieser Planung wurde erst letzte Woche und auf Druck öffentlich gemacht. Dazu schreiben die Fachverbände: «Es ist für uns nicht nachvollziehbar, weshalb dieser Bericht erst im laufenden Abstimmungsverfahren kommuniziert worden ist und weshalb diese Planung nicht dringlich zumindest soweit vorangetrieben wird, dass Investitionen in den Ausbau des Bahnhofs koordiniert erfolgen können und überprüfbar sind.»
Zusammenfassend bezeichnen die Fachverbände die Vorlage als unausgereift und empfehlen sie deshalb zur Ablehnung. Gleichzeitig bieten sie Hand zur «konstruktiven Mitarbeit» auf der Suche nach rasch umsetzbaren Lösungen nach dem 7. März – verbunden mit einer klaren Message an die Stadt: «Der heute unbefriedigende Zustand des Bahnhofs zeigt aber leider zu gut, dass Bau- und Verkehrsmassnahmen nur unter ganzheitlicher Berücksichtigung städtebaulicher, denkmalpflegerischer und verkehrstechnischer Aspekte zukunftsfähig sind. Dazu braucht es ein gestalterisches Leitbild für die Entwicklung des gesamten Stadtraums.»
Jetzt gilt es ernst: Am 7. März stimmt Bern über den 112-Millionenkredit für Verkehrs- und Baumassnahmen rund um den Bahnhof Bern ab. Zwar sind einige im Kredit enthaltene Massnahmen wichtig und sinnvoll, trotzdem empfehlen wir hier noch einmal dringend, ein NEIN in die Urne zu legen. Weil der aus der Zeit gefallenen Betontunnel für FussgängerInnen sowie die Zerstörung der Hirschengraben-Parkanlage verhindert werden müssen. Damit wird nicht nur ein verkehrstechnischer Murks, sondern auch ein städtebauliches Desaster verhindert.
Die 36 Millionen Franken, die für den Betontunnel und die «Umgestaltung des Hirschengrabens» budgetiert sind, können und müssen sinnvoller eingesetzt werden! Bei einem NEIN wird die Stadt bald einen neuen Vorschlag ausarbeiten, der – so ist zu hoffen – die in den letzten Wochen aufgezeigten Lösungsansätze und Alternativen berücksichtigt. Die Chance besteht, dass damit nicht nur Geld gespart wird, sonder eine ganzheitlichere, nachhaltigere und städtebaulich würdigere Lösung gefunden wird.
Sind die Bäume einmal weg, ist es zu spät.Hier für alle Zögernden noch einmal als Zusammenfassung 7 wichtige Gründe, weshalb wir dringend ein NEIN empfehlen:
WICHTIG ZU WISSEN:
Weitere Informationen zu all diesen Punkten auf dieser Website und auf
Eigentlich kann man die unglückliche Entstehung des «Bausteins 2» – das 36 Millionen teure Projekt «Personenunterführung und Umnutzung Hirschengraben in ein Tramperron» – in zwei Sätzen erklären:
Der für «Baustein 2» geforderte Baukredit ist nichts anderes als die vorgezogene Finanzierung eines Teils der von der Stadt geplanten riesigen Velostation unter dem Hirschengraben, mit dem dafür notwendigen unterirdischen Direktzugang zum Bahnhof sowie den Baustellenanfangs- und -abschlussarbeiten, inklusive Rodung der Kastanienbäume und Demontage des Bubenberg-Denkmals (zu Beginn der Bauarbeiten), sowie der Wiederbepflanzung über dem Betondeckel (am Schluss).
Warum wurden diese Teile des Baukredits von dem eigentlichen Baukredit für die Velostation abgespalten, der voraussichtlich in zwei Jahren zur Abstimmung vorgelegt werden soll?
Die Antwort darauf ist simpel: Addiert man die Kosten (36 Millionen), über die wir am 7. März abstimmen, mit den direkten Erstellungskosten der Velostation (40 Millionen), wird sofort klar, wie unglaublich teuer das Ganze würde:
Die Baukosten würden unglaubliche 76 Millionen Schweizer Franken betragen – dies macht bei 3000 geplanten Veloparkplätzen PRO PLATZ sage und schreibe CHF 25'000!
Die Velostation ist aber nicht nur aus finanziellen Gründen ein Luftschloss-Projekt. Weil sie in einem hochgeschützten Stadtraum gebaut werden soll, der national unter ISOS-Schutz steht und Teil des UNESCO-Weltkulturerbes ist, lobbyiert der Gemeinderat gegenwärtig beim Bundesamt für Kultur für eine Sonderbewilligung und demontiert damit den Schutz seiner eigenen Stadt. Das von den Behörden erhoffte JA für die Finanzierung von Unterführung und Umgestaltung Hirschengrabenplatz, so das Kalkül der Stadt, würde ein Präjudiz schaffen, mit dem der Denkmalschutz in die Knie gezwungen werden soll.
Velostation und Unterführung bedingen sich gegenseitig. Beides muss zwingend gleichzeitig gebaut werden. Deshalb macht es keinen Sinn und ist eine Zumutung für die Stimmbevölkerung, dass separat zuerst über die Unterführung und erst zu einem späteren Zeitpunkt über die Velostation am gleichen Ort abgestimmt werden soll. Das ganze Bauvorhaben gehört in eine einzige Vorlage!
Gleichzeitig wird klar: Die Stadt kann gar nicht auf das Angebot eines nahezu kostenlos zu verbreiternden Fussgängerstreifens eintreten, wie er von Architekten und Planern vorgeschlagen wird. Weil sie in ihrer eigenen bauernschlauen Taktik zur Finanzierung eines Luftschlosses (Mega-Velostation) verstrickt ist und glaubt, das Gesicht zu verlieren, wenn sie jetzt plötzlich zugeben würde, dass es die Unterführung verkehrstechnisch gar nicht braucht und sie nur aus taktischen Gründen ins aktuelle Verkehrsvorlagenpaket verpackt wurde… das – ohne die versteckte Veloagenda – für 76 Mio statt 112 Mio zu haben wäre….
Rosskastanien standen hier, schon bevor die heutigen Stadtbernerinnen und Stadtberner das Licht der Welt erblickten (ab 1874).
Bubenbergplatz praktisch autofrei
Quelle: wikicommons
Schöne Stadt Bern
Kurz und bündig bringt es Irène Minder-Jeanneret in ihrem heutigen Bund-Leserbrief auf den Punkt. Sie erinnert daran, dass die Altstadt von Bern seit 1983 auf der Liste der Unesco-Weltkulturgüter figuriert und die SBB 2005 u. a. für die Welle von Bern den Wakkerpreis des Schweizer Heimatschutzes erhalten haben.
Das verpflichte, schreibt sie und fordert: «Noblesse oblige! Niemand will im Bereich Hirschengraben einen seelenlosen Zweckbau auf Kosten des Kulturguts Hirschengraben. Gestaltet bitte das neue Bahnhofstor, indem ihr mit Herz und Verstand weiterbaut!» Auch in der Vergangenheit war es leider oft nicht weit her mit Herz und Verstand, wie etwa Jürg Sulzer 1986 in seinem eindrücklichen «Plädoyer für einen anderen Bubenbergplatz» schrieb.
Der damalige Berner Stadtplaner stellte fest: «Die interdisziplinäre Prüfung städtebaulicher Lösungen hätte am Bubenbergplatz zu anderen Ergebnissen führen müssen» – und wünschte sich: «Es könnte sicher eine (finanzielle) Lösung gefunden werden, die es uns - quasi als 'Generationengeschenk' - ermöglicht, unseren Kindern und Enkeln den Bubenbergplatz zurückzugeben.» Manchmal lohnt es sich, in den Archiven zu graben. Vieles, was Jürg Sulzer vor bald 35 Jahren geschrieben hat, gilt auch heute noch...